Pakistan. Nach knapp zwei Tagen Fahrt sind wir wieder in Belutschistan, und folgen der neunten Eskorte für heute. Einige werden noch folgen, denn es sind noch 200 km bis Quetta, dem nächsten Zwischenstopp. Es ist bereits Mittag, vielleicht hat es 35°. Der Sommer hat noch nicht angefangen, und doch brennt die Sonne schon auf die kahle Grassteppe, die endlos an uns vorüber zieht, und auf beiden Seiten bis zum Horizont reicht. In der Ferne trabt eine Ziegenherde über die schnurgerade Straße, und verschwindet auf der anderen Seite in einer Staubwolke, die von den hunderten kleiner Klauen im Sand aufgewirbelt wird. Von der anderen Seite überqueren drei Packkamele die Straße, im gemächlichen Trott dem Treiber folgend. Langsam wandelt sich die verdorrte Steppe in eine Gesteinswüste. Vor uns tauchen die ersten Bergketten auf, in der staubigen Luft nur schemenhaft erkennbar.
Gestern haben wir Multan, die Stadt der Mangos und Milane, und heute morgen Sukkur hinter uns gelassen. Die Route ist die gleiche wie bei der ersten Durchquerung letzten November. Anders ist, dass wir diesmal nicht im Konvoi fahren. Wir kommen schneller voran, vor allem im chaotischen Stadtverkehr, wo man sich die engen Straßen nicht nur mit aller Art motorisierten Fahrzeugen und Karren teilt, sondern auch mit allerlei Vieh, Rindern, Esel, Schafen, Ziegen, flatternden Hühnern. Nachteil ist, dass sich die neugierige Aufmerksamkeit der Menschenaufläufe, die sich ratzfatz bilden sobald man irgendwo greifbar wird, geballt auf uns zwei richtet, anstatt sich in entspannterer Weise auf mehrere Mitreisende zu verteilen. Nach dem tausendsten Mal „Which country?“, „ Your name?, your name?“, „Photo, please, photo!“ will man nur noch schreiend davon laufen. Geht aber nicht. Da muss man durch. Wie viele Fotos wohl mit uns schon in irgendwelchen indischen, nepalesischen, pakistanischen und iranischen Facebook-Accounts rumschwirren? Auch die Abendstunden und Wartezeiten in den pakistanischen Polizei- oder Hotelhinterhöfen lassen sich gemeinsam leichter vertreiben. Zumeist alle Gesichter, in die wir blicken, wirken warm und freundlich. Ich habe wirklich Lust, mich irgendwann einmal tiefer in dieses Land zu stürzen. In abgelegenere Bergregionen, ländliche Gegenden fernab der Städte. Das Land ist atemberaubend schön. Ohne Begleitschutz. Better times are about to come…
Abends im Bloomstar Hotel in Quetta, wo die meisten Overlander von der Eskorte über Nacht abgestellt werden, treffen wir auf zwei Backpacker aus Schweden und der Türkei. Die beiden haben ihr NOC* bereits in der Tasche und wollen am nächsten Morgen mit dem Taxi zur iranischen Grenze fahren. Die lokalen Busunternehmen verweigern mittlerweile die Mitnahme von Ausländern auf der Strecke zwischen Quetta und Taftan. Der Bus wird sonst alle Kilometer an sämtlichen Checkpoints anhalten müssen, weil jene sich durch Eintragen in die ‚ewigen Bücher‘ im jeweiligen Distrikt registrieren müssen. Auch im Bus fuhr stets ein bewaffneter Begleiter mit. Es gab mal eine Zugverbindung zwischen der Grenze und Quetta, die aber aufgrund mangelnder Passagiere schon seit Jahren still gelegt ist. Der Zug fuhr zweimal im Monat. Es stellte sich dann heraus, dass einer der beiden nicht mehr genug Geld für die weite Strecke mit dem Taxi (600 km, 200 USD) hat, und somit in Quetta gestrandet ist. Zudem läuft sein Visum heute aus, denn er bekam nur eines für vier Tage ausgestellt (was wirklich schwachsinnig ist, denn die knappen 2000 km durch Pakistan sind, mit eintägigem Aufenthalt in Quetta wegen dem NOC, nicht zu schaffen).
Wir treffen ihn am Morgen wieder, als der Hotelbesitzer ihm in ziemlich scharfem Ton unmissverständlich zu erklären gibt, dass er für die Situation absolut kein Verständnis habe, und ihm um zwölf bei nicht erfolgtem Checkout eine weitere Nacht berechnen wird, und die Preise sind, verhältnismäßig betrachtet, nicht ohne. Wir zahlen für zwei Nächte im Innenhof stehend, ohne Zimmer aber mit Toilette, 1600 pakistanische Rupien (1€ = 110 PKR). Freies Bewegen in Quetta ist auch nicht möglich. Des Weiteren muss er theoretisch heute abreisen, da das NOC auf das heutige Datum ausgestellt ist. Wir versuchen zu helfen, und schlagen vor mit uns und unserer Eskorte erneut zum NOC-Office zu fahren, das Abreisedatum um einen Tag zu verschieben, um dann morgen in aller Frühe zusammen zur Grenze zu fahren. Die Nacht über kann er, setzen wir ihm weiter auseinander, vorne in der Kabine auf der Gästematratze schlafen. Dem Hotelbesitzer fällt dazu nichts weiter ein, als ihm weitere 800 PRK für das Übernachten im Innenhof abverlangen zu wollen, und von uns will er mit verständnisloser Miene wissen, warum wir diesem Kerl helfen, es gehe hier um Business. Unverschämt, finden wir, und als die Stimmung hitziger wird, ziehen wir uns erstmal zurück. Mal schauen wie es später um die Sache steht. Klar ist jedoch, dass ich das Bloomstar Hotel nicht wirklich sympathisch finde. Nur hat man in der derzeitigen Situation in Quetta nicht viele andere Optionen. Morgen früh um sieben werden wir von der Eskorte abgeholt, der nächste Eintrag wird wieder aus dem Iran kommen!
*NOC (Non Objection Certificate). Um Inhalt, Sinn und Zweck dieses Dokuments wird unter Pakistan-Reisenden viel gerätselt. Im Endeffekt regelt es den Begleitschutz und klärt uns darüber auf, was wir tun und lassen sollen.
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