Nepal begrüßt uns gebührend, mit Donnerwetter und verdammt leckerem Essen.
Wir stehen in Siddharthanagar, unweit der nepalesischen Grenze, auf dem tristen Hinterhof einer Tankstelle mit Werkstatt, und werkeln. Das heißt, Bert werkelt, mit den Jungs von der Tanke, und ich schreibe.
Das Standgas-Seil ist auf die letzten km in Indien noch gerissen, was dazu führte, dass bei jedem mal Abbremsen vor einem Schlagloch, und es gab mehr Loch als Straße, der Motor ausging. Jene Kraterpiste zog sich quasi endlos in die Länge, mal besser und mal schlechter, und so holperten wir zwei Tage lang im Schneckentempo durch das provinzielle Nordindien in Richtung Grenze. Mit einer quäkenden Janis Joplin aus den Lautsprechern, und einer diffusen Vorfreude auf Nepal.
Und dann, es war gerade Sonnenuntergang, und wir uns eigentlich, da wir keine Eile hatten, erst ganz entspannt am nächsten Morgen dem Grenzprozedere stellen wollten (Aus- und Einreise mit eigenem Gefährt dauert erfahrungsgemäß ja immer eine Weile), ging alles ganz schnell.
Auf der eben noch so gemütlichen Provinzstraße kurz hinter dem letzten indischen Provinzörtchen stauten sich zweireihig schwer beladene Trucks, Reisebusse, Minibusse, hupend, stinkend, die alle das selbe Nadelöhr anvisierten, und in einer weiteren Reihe daraus hervor kamen. Nur noch Zentimeter waren zwischen den sich aneinander vorbeischiebenden Fahrzeugen. Die enge Straße war beidseitig von einer Häuserreihe eingesäumt, die blinkende Shops mit bunten Klamotten, Plastikkram und Essen beherbergte. Erst als wir uns langsam an dem kleinen Büro für die Passkontrolle vorbeischoben, das nur von einem handgemalten Schild von den anderen Lokalitäten am rechten Straßenrand zu erkennen war, wurde uns klar, dass wir uns schon mitten im Grenzprozedere befanden. Wir steckten fest. Es gab quasi kein Entrinnen mehr, weder nach vorne noch nach hinten. Wir mussten uns dem Fluss beugen, förmlich im Strom mitschwimmen. Und all zu lange dauern durfte es auch nicht, da die Grenze in einer Stunde schließe sollte, hörten wir. Und dann? Im Grenzstau übernachten?
Und so sah man uns beide abwechselnd, rechts und links der Straße hier hin zum Ausstempeln, und dort hin zum Carnet des Passage-Clearing laufen, nach hinten in die Wechselstube, nach vorne zum kopieren, während sich die Kiste in der schnaufenden Blechlawine Stück für Stück nach vorne arbeitete. Rechts und links Menschen, überall Menschen, die hier und da hin wollten, oder mussten, genauso wie wir, oder nur paralysiert dem Treiben zusahen. Das tat ich zwischenzeitlich auch.
Auf der nepalesischen Seite der Straße gab es dann einen Parkplatz. Ausgeatmet. Eingeatmet. Gesammelt. Und weiter. Ein paar entspannte, gut gelaunte Grenzbeamte, die zügig unsere Visa ausstellten. Ein Gebäude weiter brachten wir das Carnet zum Clearing. Alle Daten wurden wieder in das große, ewige Buch übertragen. Das dauerte ein wenig, wir kriegten dafür eine Mandarine geschenkt. Im Fernsehen lief Fussball, irgendein Deutsches Team mit dabei. Vom Trubel draussen war hier nichts mehr zu spüren. Für die letzte Unterschrift vom Chef sollten wir mit dem Beamten gehen, quer über den Platz, in ein anderes Gebäude. Chef nicht da, überhaupt war gar niemand mehr da in diesem Gebäude. Er telefonierte, einmal, zweimal, offensichtlich sehr bemüht uns an jenem Tag noch ins Land zu kriegen. Wir folgten ihm in den Hinterhof, wo mehrere Leute um einen runden Tisch herum beim Abendessen saßen. Der Chef war auch mit dabei. Er unterschrieb, während uns ein anderer schon Stühle brachte und Essen anbot. Wir waren mittlerweile ganz schön hungrig, und nahmen das Angebot dankend an. Es gab süßen, klebrigen Reis mit Rosinen, und dazu drei unterschiedlich deftig und scharf gewürzte Gemüse. Ladyfingers, Kartoffeln und noch irgendwas. Das essen war super lecker, wir freuten uns auf mehr Nepali Food. Zum Abschluss ein bisschen Whiskey, und schon folgten wir dem Beamten wieder in die offiziellen Räumlichkeiten.
Wir fuhren noch ein paar km, bis wir in stockfinsterer Nacht an der Tanke hier ankamen. Es war ein spannender Tag. Und wir sind einen Tag früher als beabsichtigt in Nepal.
Noch sind keine Berge zu sehen, aber man kann ihre Präsenz förmlich fühlen. Vormittags um elf ist es nun plötzlich so finster wie abends um fünf. Der Himmel zieht sich zu, die ersten Tropfen fallen auf den staubigen Boden. Sturmböenartiger Wind, Blitze und dann ein Regenguss, der in Kürze eine zwanzig cm tiefe Pfütze um die Kiste herum entstehen lässt. Ein scharfer Kontrast zu den schweißtreibenden Temperaturen der letzten Tage in Südindien. Für uns der erste Regen seit, ja, seit wann eigentlich? Irgendwann hat es einen Vormittag lang in Arambol richtig geschüttet. Da mussten wir Rani’s Bambus-Shack notdürftig mit Planen abdecken. Überall flossen kleine Bäche durch das Palmblattdach, und die aufgestellten Eimer und Schüsseln waren im nu voll und liefen über. Und davor? Es muss in der Türkei gewesen sein. Dafür aber tagelang ununterbrochen. Stünden wir nicht mitten in der Sadt, sondern irgendwo abgelegen ohne neugierige Augen um uns herum, wäre dies die erste Draußendusche in Nepal für uns geworden.
Die Kiste ist mittlerweile repariert. Wir trinken noch einen Chai mit den Jungs, und fragen nach den Straßenbedingungen. Wenn der Regen nachgelassen hat, geht’s in die Berge.